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DAS WIENER ZINSHAUS: HISTORISCHER GLANZ IM WANDEL DER ZEIT

von AKKADIA - 08. Jan 2024

WAS IST EIN ZINSHAUS?

Zinshäuser sind im Kern Mietshäuser mit mehreren Wohneinheiten, die langfristig vermietet werden. Das Wort "Zins" steht hier für "Miete". Demnach fallen nicht nur vor 1945 errichtete Gebäude unter die Definition von Zinshäusern, sondern auch neuere Bauwerke, in denen Wohnungen zur Vermietung angeboten werden. Insgesamt ist der Bestand an Zinshäusern hierzulande größer als gemeinhin angenommen. Nicht darunter fallen jedoch Genossenschaftswohnungen und geförderte Wohnungen.

ALT- UND NEUBAU

Zinshäuser, die nach dem 30. Juni 1953 gebaut wurden, gelten als Neubau und unterliegen beschränkt dem Mietrechtsgesetz. Die Renditen bei Neubauten sind in der Regel höher, der Erhaltungsaufwand geringer. Die Ästhetik neuer Zinshäuser mag abweichen, aber sie bieten langfristigen Investoren Chancen, insbesondere bei Liegenschaften mit hohem Altmieteranteil, um das Ertragspotenzial zu steigern, wenn Altmieter ausscheiden.

KOSTEN UND ERTRÄGE

Der Wert eines Zinshauses hängt von Rendite, Lage, Größe, Substanz und Vermietungsgrad ab. Eine genaue Schätzung erfordert Knowhow und Expertise. Renovierungen sind teuer, insbesondere Fassadensanierungen können teuer werden. Reparaturen und Instandhaltung können die laufenden Kosten erhöhen, was bei gedeckelten Mietzinsen schwer wieder einzutreiben ist.


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HISTORISCHER EXKURS

Die Gründerzeit zwischen 1848 und 1918 markiert in Wien eine Epoche des Aufschwungs, der gesellschaftlichen Veränderungen und vor allem des beeindruckenden Baubooms. Diese Ära prägte die Stadt mit den charakteristischen Gründerzeit-Zinshäusern, die noch heute das Stadtbild zieren.  Der Begriff "Zinshaus" rührt daher, dass diese Gebäude oft als Anlageobjekte zur Vermietung konzipiert waren. Sie beherbergen eine Mischung aus Mietwohnungen und gelegentlich auch Geschäftsflächen im Erdgeschoss.

Die Ursprünge dieser Zinshäuser liegen in der Bevölkerungsexplosion während der Industrialisierung. Die starke Zuwanderung nach Wien schuf einen enormen Bedarf an Wohnraum. Die Gründerzeit gliedert sich in Frühgründerzeit (ca. 1840 – 1870), Hochgründerzeit (ca. 1870 – 1890) und Spätgründerzeit (ca. 1890 – 1918).

Die erste Stadterweiterung erfolgte in der Regierungszeit von Kaiser Franz-Joseph I., der 1857 die Schleifung der Befestigung und den Bau der Ringstraße anordnete. Dieser Prachtboulevard wurde zum Glanzstück des 19. Jahrhunderts und prägte die Stadtentwicklung.

Die Architektur der Gründerzeit-Zinshäuser spiegelt die gesellschaftlichen Veränderungen wider. In der Frühgründerzeit dominierten schmuckarme Fassaden, während die Hochgründerzeit von repräsentativen Elementen inspiriert war, die von der Ringstraße übernommen wurden. Die Spätgründerzeit brachte eine verstärkte Bebauung der Grundflächen mit sich, jedoch auf Kosten der Wohnqualität.

FRIEDENSZINS

Der Friedenszins, eingeführt 1917, markierte das Ende der Blütezeit der Zinshäuser. Diese Form der Mietpreisregulierung legte fest, dass die Miete nach den ökonomischen Bedingungen des Jahres 1914 bemessen wurde. Dadurch wurden die Erträge der Vermieter begrenzt, und die Gründerzeit-Zinshäuser wurden weniger attraktiv für den Eigentümer und Vermieter.

Einführung und Hintergrund des Friedenszinses

Der Friedenszins, auch als Friedenskronzins bekannt, wurde im österreichischen Mietrecht als gesetzlich festgelegte Höchstmiete für Mietverträge vor dem 1. August 1914 eingeführt. Dies geschah als Reaktion auf die kriegsbedingte Überbelegung von Wohnungen, insbesondere um Soldaten und deren Familien vor Mieterhöhungen und Kündigungen zu schützen. Die Strategie bestand in der Kombination aus Mietpreisbindung, Geldentwertung nach Kriegsende und umfassendem Mieterschutz.

Entwicklung und Auswirkungen auf Mieter und Vermieter

Das Hauptziel des Friedenszinses bestand darin, die Mieten durch ihre Einfrierung auf diesen Höchstsatz zu begrenzen. Dies führte über die Jahre zu einer Art eigentumsähnlichem Recht für Mieter, was finanzielle Entlastung, aber für Vermieter eine schleichende Enteignung bedeutete, wodurch der vor 1914 sehr bedeutende Bau von privaten Zinshäusern mangels erzielbarer Renditen zum Stillstand kam. Der an seiner Stelle einsetzende kommunale Wohnbau der Zwischenkriegszeit war steuerfinanziert. Notwendige Reparaturen an Altbauten konnten im Falle nicht ausreichender Mieteinnahmen der Hauseigentümer in einem behördlich zu genehmigenden Umlageverfahren nach § 7 Mietengesetz (später §18 MRG (Mietrechtsgesetz)) finanziert werden. Da sich diese Erhaltungsarbeiten stark auf die effektive Miete auswirkten, waren sie bekannt als § 7-Renovierung.

Heute über 100 Jahre später, steht das Thema Mieten erneut im Mittelpunkt hitziger Debatten, da die Regierung an einem neuen Mietrecht arbeitet, was gewisse Parallelen zur Situation vor 1917 aufweisen könnte.

ZUKUNFTSPERSPEKTIVEN UND HERAUSFORDERUNGEN

Aktuell erleben die Gründerzeit-Zinshäuser in Wien einen Transformationsprozess. Zwischen 2007 und 2019 verschwanden fast 12% dieser historischen Gebäude, hauptsächlich durch Parifizierung, Verkauf oder Abriss.

Die Parifizierung, die Umwandlung von Miet- zu Eigentumswohnungen, eröffnet Vermietern lukrative Möglichkeiten. Dies hat jedoch Auswirkungen auf das Stadtbild und die soziale Durchmischung. Alternativ setzen einige auf Abrisse, um Neubauten zu errichten damit Mietpreisregulierungen nicht greifen.

Der Verlust von Gründerzeit-Zinshäusern führt somit zu einem Rückgang von günstigem Wohnraum in zentraler Lage. Dies bedroht die soziale Durchmischung und das charakteristische Flair Wiens. Rechtliche Herausforderungen, insbesondere im Mietrechtsgesetz, stehen im Zentrum dieser Entwicklungen. Die Stadt Wien steht vor der Herausforderung, den Spagat zwischen Denkmalschutz und Wohnraumbedarf zu meistern.

Um den Erhalt dieser historischen Gebäude zu fördern, sind finanzielle Anreize und Förderprogramme notwendig. Investoren könnten so motiviert werden, in die Sanierung und Pflege dieser architektonischen Juwelen zu investieren.

Die Zukunft der Gründerzeit-Zinshäuser in Wien bleibt ungewiss. Die Stadt und ihre Bewohner stehen vor der Herausforderung, das Erbe zu bewahren und gleichzeitig den aktuellen Wohnraumanforderungen gerecht zu werden. Offene Fragen bleiben bezüglich der Auswirkungen auf Mietpreise, das Stadtbild und die Lebensqualität in Wien. Es bleibt abzuwarten, wie die Stadt mit diesem Spannungsfeld aus Geschichte und Fortschritt umgehen wird.

Quellen und Links

https://www.mieterschutzverband.at/allgemein/mieterschutz-in-oesterreich-von-1917-bis-heute/

https://www.derstandard.at/story/2000131457822/sollte-es-in-wien-weniger-zinshaeuser-geben

https://www.oeaw.ac.at/isr/forschung/innovation-und-urbane-oekonomie/wiener-zinshausmarkt-die-transformation-des-gruenderzeitlichen-baubestandes

https://www.wohnnet.at/finanzieren/investment/was-ist-ein-zinshaus-4296503

https://publikationen.ehl.at/view/872529523/

https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230628_OTS0155/forschungsprojekt-als-boost-fuer-zinshaus-sanierungen-bild

https://www.oeaw.ac.at/detail/news/gentrifizierung-in-wien-wird-laut-neuer-studie-ueberschaetzt-1

https://www.buergerleben.com/die-entwicklung-des-gruenderzeithauses/

https://www.derstandard.at/story/2000131457822/sollte-es-in-wien-weniger-zinshaeuser-geben

https://www.otto.at/de/marktberichte/zinshaus-marktbericht?gclid=EAIaIQobChMIv7m1xL7NgwMVxItoCR0nmwAyEAMYASAAEgIwuvD_BwE

https://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen-Bauen_fuer_die_Metropole_8221143.html

Bild: Ludwig Förster und Theophil Hansen, Reger´sches Haus, Riemergasse 2, 1948/49 in: Allgemeine Bauzeitung 17 (1852) Blatt 438